"Bei Tieren wird die Linke rechts", postuliert Fahim Amir sehr plakativ - und schreibt mit Schwein und Zeit pointiert und verständlich dagegen an.
Doch dazu muss man natürlich auch ein wenig weiter ausholen. Kritik an Umweltzerstörung oder industrieller Tierhaltung basiert meist auf konservativen Ideen einer vermeintlich "unberührten Natur" bzw. einer Natur, wie sie zu einem bestimmten Zeitpunkt einmal ausgesehen haben soll; oder auf der ökokapitalistischen Sorge um nachhaltiges Ressourcenmanagement - dabei geht es nun einfach darum, nicht die Grundlagen des eigenen Wirtschaftens zu erschöpfen.
Gegen die Romantisierung der Natur setzt Amir Politik statt Ethik. Statt Tiere kulturpessimistisch zu bloßen Opfern zu erklären, wird ihre Geschichte kenntnisreich aus einer Perspektive der Kämpfe erzählt:
Wie renitente Schweine maßgeblich die Entwicklung der modernen Fabrik bestimmt haben.
Wie unbeherrschte Ansammlungen von Menschen und Tieren sich zu Beginn des 19. Jahrhunderts der Zähmung New Yorks widersetzten.
Wie Singvögel in der Stadt sich dank hoher Östrogenspiegel im Abwasser dopen und das Nikotin von Zigarettenstummeln zur Parasitenabwehr in ihren Nestern nutzen.
Die Geschichte malariöser Moskitos und der Versuche ihrer Bekämpfung wirft ein stroboskophaftes Licht auf neokoloniale Beziehungen zwischen medizinischen und politischen Fieberschüben.
Diese und weitere Beispiele illustrieren, wie sich Tiere an das menschliche Wirken anpassen und sich ganz praktisch widersetzen.
Es gibt kein Zurück in die vermeintlich reine Natur - neue urbane Ökologien sind jedoch eine Chance für neue Konzepte des Miteinanders und Gegeneinanders. Nicht um moralische Selbsterhöhung oder marktförmige Imaginationen gesellschaftlicher Reform durch korrekten Konsum geht es hier, sondern um utopische Momente, die die Gegenwart zum Stottern bringen.
Übrigens auch eine interessante Lektüre für alle, die sich ein wenig mit der Geschichte der (Stadt-)Tauben beschäftigen wollen ...
Über den Autor
Fahim Amir lebt als Philosoph und Künstler in Wien; er beschäftigt sich mit den Übergängen von NaturKulturen und Urbanismus, Performance und Utopie, kolonialer Historizität und Modernismus. Amir lehrt an der Kunstuniversität Linz sowie an weiteren europäischen und internationalen Universitäten, betrieb die Bar Schnapsloch und den Verlag Proll Positions, und arbeitete in unterschiedlichen Projekten mit Künstler*innen wie Deichkind, Chicks on Speed, Rocko Schamoni und Ted Gaier. Als Teil der Performancegruppe Dolce & Afghaner trieb er mit Plakaten und Interventionen österreichische Rechtspopulist*innen und Boulevardmedien auf die Palme. Daneben war Amir Kurator von Symposien zu Neuer Musik (Ferienkurse Darmstadt), Live-Art-Festivals (Kampnagel Hamburg) und Ausstellungen (Secession Wien).